Grundsätzlich werden in der Praxis der systemischen Berater Gegenwarts- und Herkunftssystem (Synonym: Familiensystem) unterschieden:

  1. Das Herkunftssystem ist in erster Linie auf blutsverwandte Vorfahren bzw. Verwandte beschränkt. – Nicht-blutsverwandte Personen können zum Herkunftssystem dazugehören, wenn an diesen von einem/einer leiblichen Vorfahren/-in ein Kapitalverbrechen verübt wurde; Lebensretter hingegen gehören zwar zum Gegenwartssystem des Geretteten, aber sie haben ansonsten keinen Einfluss auf das Familiensystem.
  2. Das Gegenwartssystem ist potentiell unendlich. Es umfasst sowohl die gegenwärtige Familie (Beziehungspartner und eigene Kinder) als auch alle anderen sozialen Beziehungen, wie z. B. die Arbeitskollegen oder die Haustiere (zumindest in den westlichen Industrieländern).
  3. Der gravierendste Unterschied zwischen einem Familiensystem und einem Gegenwartssystem (z. B. am Arbeitsplatz) ist, dass die Zugehörigkeit (z. B. zu einer Firma) auflösbar ist, die Zugehörigkeit zum Herkunftssystem jedoch zeitlebens bestehen bleibt.

Prinzipiell sind alle sozialen Systeme (aus Sicht der Systemischen Berater) „hierarchisch“ geordnet (auch „die Ordnung“ genannt), abhängig vom Beginn der Zugehörigkeit des Individuums zum jeweiligen System. – Die Ordnung ist in erster Linie eine Art „virtueller Realität“ und keine Hierarchie, die z. B. auf Befehl und Gehorsam basiert, wie in einer Armee. Diese virtuelle Realität existiert im Unterbewusstsein der Systemmitglieder und garantiert im Idealfall sowohl deren friedliches Zusammenleben in der Gruppe, wie auch jedem Individuum seinen inneren Frieden.

Der virtuelle Charakter der Ordnung wird bei einem nicht-familiären Gegenwartssystem besonders deutlich: Z. B. haben Mitarbeiter, die schon länger einem Betrieb angehören, ein stärkeres systemisches Gewicht als der neue Chef, aber sie sind diesem neuen Chef faktisch untergeordnet, und müssen seinen Anweisungen folgen.

Für Familiensysteme hat die Beachtung der Ordnung folgende Konsequenzen:

  1. Vorfahren (z. B. die eigenen Eltern) haben in der systemischen Hierarchie einen Vorrang vor Nachfahren (z. B. den eigenen Kindern).
  2. Jeder Blutsverwandte hat ein Recht auf Zugehörigkeit zum Herkunftssystem: Z. B. ist eine Adoption bzw. die Freigabe eines Kindes zur Adoption aus systemischer Sicht nicht möglich. – Andersherum kann (wie oben bereits beschrieben), die Zugehörigkeit zum Familiensystem auch nicht beendet werden (egal, was vorgefallen sein mag, man bleibt immer das Kind seiner leiblichen Eltern).*)
  3. Unter Halbgeschwistern gilt ausschließlich die Hierarchie, die sich aus dem Zeitpunkt der Geburt ergibt, wie unter "normalen" Geschwistern auch.
  4. In einer Paarbeziehung (Gegenwartssystem) hat derjenige Partner den Vorrang, der durch sein Einkommen die Existenz des Familiensystems allein oder hauptsächlich gewährleistet.

*) Seit einigen Jahren ist es möglich, Kinder durch eine Eizellspende oder durch eine Leihmutterschaft zu erschaffen. Für das archaisch-systemische Unterbewusstsein hat dies zur Folge, dass zwei leibliche Mütter existieren.

 

Autor: Christian Brandau - Der Text ist unter der Lizenz „Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)“ verfügbar.

 

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